unten tost der fluss, oben mäandern die strassen den berg hinauf. es gibt orte in graubünden, für die müssten die ersten bewohner verprügelt werden, so hoch oben liegen sie. unten liegen weitere dörfer und auf der anderen seite geht es wieder hinauf, man will sagen, ins uferlose, aber da ist die baumgrenze, der berg und dahinter wird es unterhalb der baumgrenze wieder genau gleich aussehen wie hier: im domleschg.
solche dörfer, weiler, wirken wie eine verschworene gemeinschaft. man betritt ein restaurant und wird sofort als auswärtige identifiziert. die kellnerin versteckt ihre neugier hinter zuvorkommenheit. ich spiele mit und verrate kein wort über mich. die aussicht würde meinen sohn verzaubern; zwei burgen oder das, was davon übrig blieb, auf einen schlag.
ich fahre weiter; und meine freundin unten in, man muss fast sagen grossstadt: chur, lacht sich kaputt, weil ich die hauptstrassen benutze anstelle der autobahn. (ich hasse autobahnfahren, die tunnels auf der san-bernardino-route besonders.) ich sehe mehr vom land, sag ich ihr, und sie lacht sich weiter kaputt: sagt die, die an millenium die coolste von uns allen war. was wurde bloss aus dir?
aber ich verliebe mich in orte, deren namen wie ein luxemburgerli auf der zunge vergehen: paspels, fürstenaubrück, st. agatha, und schliesslich, das ende der reise: scharans. dort sitze ich am dorfeingang auf eine holzbank, bis ich denke: wenn schon mal hier, dann lernen wir das dorf kennen.
ich laufe an alten häusern vorbei, in deren gärten die grabsteine der grosseltern wie ein ewiges mahnmal in die mauer gepfählt wurden. es summt und brummt und lacht; scharans muss ein fröhliches dorf sein, denk ich mir, kunststück: dahinter beginnt das nichts. ich gehe ins kleine dorfbistro, diesem sammelbecken der urgesteine, und merke: hier ist der sängerbarde zu hause. die wirtsleute, zwischen meinen eltern und meiner grossmutter angesiedelt, verstecken ihre neugierde nicht; aber ausser dass ich das neue buch von irving lese, das mich kaum mehr loslässt, letzte nacht in twisted river, erfahren sie nichts von mir.
«sehen sie», sagt die dame beim abschied ungefragt: «diese zwei mädchen waren die töchter von linar.d bard.ill.» vor meinem inneren auge ist leere, ich hab keine ahnung, welche mädchen sie meint. aber ich bin sicher: in scharans sind sie glücklich. wäre ich, bin ich mir sicher, auch.