Donnerstag, 29. Juli 2010

gescheitert.

als ich letztes jahr unverschuldet meinen job verlor – mit ein paar anderen noch –, da hab ich mich fast ein wenig gefreut. ich freute mich darauf, genug zeit fürs zügeln zu haben, zum einräumen, und überhaupt träumte ich mir ein leben mit kräutergarten, gemüsegarten, sirup und salzmischungen basteln, von dem ich kaum erwachen wollte. zwei tage die woche die kiz in der krippe, zeit genug, mich meinen experimenten, dem haus und dem finden eines neuen sozialen netzes zu widmen.

und ja: es war toll. es war hammer. wir haben selbstgemachtes curryöl, wir haben selbstgemachtes salbeiöl. wir haben selbstgemachtes rosmarinöl, und alles schmeckt gut, obwohl ich das billigste olivenöl dafür genommen habe und nicht, wie überall geschrieben wird, das absolut beste, wo giz. ich habe liebstöckel getrocknet, obwohl überall geschrieben steht, es werde bitter, und ich finde es fein. bitterness kann ich keine entdecken, aber wurst. ich habe sirupe ausprobiert und bin mehr als einmal grandios gescheitert, und ein paar wurden richtig fein. zwei starben trotzdem, aber auch das kann man als anfängerin verkraften. ich werde nächstes jahr noch zitronenmelisse anpflanzen, ringelblumen und eine art feld-wald-wiesen-arnika; mal sehen, ob das klappt. soweit zu meinem neuen hobby.

das hobby ist nicht sehr zeitraubend, ausser man muss an einem tag sechs kilo erdbeeren verarbeiten. ich kann das locker nebenher machen, weil die kinder, die spielen zwar gern lego, aber sie brauchen ihre mutter nicht jede minute dazu. so ein ingwersirup, der geht locker nebenher, und wenn die kinder nach badi schreien, kann ich auch mal einen tag aussetzen.

das alles, hab ich gemerkt, füllt mich aus, macht mir freude, aber es ist nicht alles. ich bin nicht, das habe ich gemerkt, die mutter, die den ganzen tag zu hause sitzt und wartet. mir kommen sämtliche energien abhanden, selbst die einfachsten: ich schaff es nicht mal, rechnungen zu bezahlen, weil: ich hab ja immer noch am nächsten tag zeit. früher war ich abends zwar müde, aber es gab grenzen, die wurden nicht überschritten, nämlich: rechnungen zu bezahlen. einen tag vorbereiten, am nächsten tag zahlen. echt, das klingt einfach, aber es ist für mich der reine horror im moment.

auch meine geduld mit den kindern lässt nach. die zwei sind schätze, aber ich sehe stundenlang nur alles negative. haben andere auch, ich weiss, aber ich habe zu viel zeit, darüber nachzudenken. aus mücken elefanten zu machen, und zwar an ort und stelle. und das tut ihnen und mir nicht gut. ich brauche, das wurde mir klar, auch nach dem es mir verschiedene menschen an den kopf geworfen haben, dann und wann einen anderen kontext. ich habe schon viele freundschaften geschlossen hier, ich kann locker eine ganze woche verplanen, aber eben, es ist nicht alles.

und deshalb hab ich mich heute in ein arbeitsbeschaffungsprogramm einweisen lassen. ich werde, das wurde mir ebenfalls klar, in meinem beruf keinen job finden. es ist zwar perlen vor die säue geworfen und tut mir im herzen weh, aber es ist halt so. ich hadere nicht gross, ich sehe nur: ich brauche einen ausweg. einen anderen kontext. baue ich also auf auf dem, was ich kann und dann wird sich was geben, da bin ich sicher. und bis dahin besuch ich dieses arbeitsbeschaffungsprogramm und lerne neue dinge. und wenn nicht, dann hatte ich zumindest eine zeitlang einen anderen kontext.

ja, ich bin gescheitert. ich muss mir sagen, dass ich nicht diejenige bin, die nur für die kinder da sein kann. und für das haus. und für was weiss ich was. ich habe immer gearbeitet. und dann, hoff ich, kommen auch die nerven für die kiz zurück. und die energie, wenigstens die rechnungen zu bezahlen.
misslavender - 29. Jul, 21:59

Also Frau Rage! Das ist kein scheitern! Das ist eine Erkenntnis und wer weiß - sicher gut für irgendwas! Ich druecke jedenfalls die Daumen, dass sich was tolles ergibt! (aber ich kann dich so gut verstehen, ich muss es mir ja momentan selber hinter die Ohren schreiben...) ganz ein lieber Grus & ein Drücker aus dem Osten

brigitte - 29. Jul, 23:45

Genau. Das ist eine Erkenntnis. Die du eigentlich doch schon vorher hattest. Mir ist es vor drei Jahren ja nur schon während den 14 Wochen Mutterschaftsurlaub so ergangen :-). Und ich weiss noch, wie ich danach wieder ins Büro ging und die ersten Tage langweilige Aufräumarbeiten machte, die liegengeblieben waren, wie sich meine Kollegin bei mir entschuldigte für die anspruchslose Arbeit, und wie ich sagte: mir ist alles recht, ich bin einfach nur froh, mal wieder etwas anderes machen zu können. Ich habs aber nie als Scheitern verstanden, ich kam mir höchstens ein bisschen ausserirdisch vor - das hat sich dann aber schnell gelegt ;-).
pipistrella - 30. Jul, 06:35

das gefühl des scheiterns ist da, ich hatte das damals auch, nachdem ich nach 3 jahren zurück in den beruf bin.
aber es ist kein scheitern, denn dann würde das auch heissen, dass für dich das alleinige zu erreichende ziel war, hausfrau und mutter zu sein und ich habe in all deinen posts und bei all den gesprächen mit dir immer herausgespürt, dass das wichtig ist, aber das es auch noch anderes im leben gibt.
ich wünsch dir viel kraft und viel glück auf der jobsuche.

himmelblau. - 30. Jul, 07:52

Dies Gefühl, gescheitert zu sein... ich kann das so gut verstehen. Da ist man noch nicht mal in der Lage so eine Pipifaxaufgabe "Mutter und Rechnungsbezahlerin" auf Dauer zu schaffen. Quatsch, alles Quatsch. Jeder das, was für ihn gut und richtig ist. Und ich habe Hochachtung vor den Frauen, die ihren Job zu Hause locker wuppen, ohne dabei auf Dauer die Nerven zu verlieren. Gescheitert, nein, nur etwas kapiert. Und Mahnung wegen unbezahlter Rechnungen, das brauchts doch nun auch nicht:)

dunski - 30. Jul, 13:01

Ich bewundere Mütter, die mit dem Daheimbleiben kein Problem haben. Kennen tu ich aber nur sehr wenige Exemplare. Arbeiten müsste es für mich nicht sein, aber ein paar Mal ein paar Stunden nicht zuständig sein. Dann würden bestimmt irgendwelche Energien zurück kommen. Ich kämpfe nämlich mit total leeren Batterien. Und die füllen sich eben nicht in den sozialen Kontakten mit anderen Mamis und deren Kinder. Natürlich müssten so ein paar Stunden finanziert werden, als wäre ein cooler Job auch nicht schlecht, allerdings ist mir der Passende noch nicht begegnet. (und wehe, du erwähnst in dem Zusammenhang noch mal so ein Wort wie " scheitern")

Silber-pfeil - 30. Jul, 13:58

Das ist Dir sicher nicht leicht gefallen, dieser Schritt mit dem Arbeitsbeschaffungsprogramm. Aber es ist sicher das Richtige. Ich kann Dich sehr gut verstehen.
Ging mir beides Mal im Mutterschaftsurlaub (gäll Brigitte) genau gleich. Und es ist mir im Moment auch nicht wirklich wichtig, was ich arbeite, Hauptsache ich werde gebraucht, kann meine Fähigkeiten irgendwo ausleben und habe Abwechslung. (Ich mache bei Weitem nicht mehr so interessante Sachen wie vorher, aber was soll, Hauptsache ich fühl mich wohl dabei.)
Das mit dem Aufschieben kenne ich gut. Da scheinen wir uns sehr ähnlich zu sein. Ich bin nur dann wirklich produktiv, wenn ich unter Druck stehe. gib mir bloss nicht zuviel Zeit um was zu erledigen. Dann ist es nach Tagen immer noch nicht angerührt.
Ich drück Dir ganz fest die Daumen, dass etwas Gutes dabei rausspringt.
(Und sonst machst Du halt ein Sirup-, Oel und Konfitürengeschäft auf. Für gestresste Städter. Es tönt auf jeden Fall schon sehr fein, was Du da alles ausprobiert hast.) ;-)

swiss-t - 30. Jul, 16:16

ich seh das auch nicht als scheitern, ragey. mir ist immer klar gewesen, dass du noch andere inputs brauchst. kommt alles gut, baby, you're the best! *küssli*
seenia - 30. Jul, 16:19

also ich finde ja, beim kochen könntest du dich schon noch einbisschen verbessern, zb was das zopf backen anbelangt. oder aber auch diese käse- und spinatplätzli, die waren ja sowas von verbrannt.

potential wäre also doch auch noch im haushalt vorhanden.

muhhahahahahahaha

rage.

reloaded.

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