Mittwoch, 13. April 2011

erziehung? erziehung!

bei frau brüllen gings letztens drum, ob sand werfen oder nicht eine frage der erziehung ist. (das ist kein persönlicher angriff, mir geht es nur um das beispiel als solches.) meiner meinung nach ist es das nicht; weil da, ich muss es erwähnen, wohl 90 prozent der eltern versagt hätten. ich bin mir sicher, dass die zahl der eltern, denen so was egal ist, sich im promillebereich bewegt, wo hingegen die zahl der kinder, die so was tun – auch mit der schaufel hauen – sich um, sagen wir 95 prozent, bewegt. und das, obwohl die mutter oder der vater daneben stehen und sagen: nein, karl-olle-lasse-kevin, lass das! sonst! usw. ich glaube also nicht, dass das eine folge von erziehung ist, sondern einfach: glück. die einen kinder wehren sich auf diese weise, die anderen nicht. bei meinen kindern ist es so: der bollo hatte diese phase sehr ausgeprägt, das häxli hatte sie nicht. sand schmeisst sie nur ihrer besten freundin an den kopf. sonst niemandem.

meiner meinung nach und nach fast sechs jahren mit kindern kam ich überhaupt zur überzeugung, dass erziehung überbewertet wird. natürlich, wir versuchen unseren kindern das und das beizubringen, aber das, was zählt, das lernen sie nur durch vorbild. und nicht, in dem wir ihnen sagen, was sie zu tun und zu lassen haben. auf das oben genannte beispiel bezogen wäre die konklusion: irgendwas veranlasst kinder, so zu reagieren. weil von eltern lernen sie das in der regel nicht. genauso verhält es sich mit beissen etc.

mein sohn beispielsweise, lässt sich, wie erwähnt, nix sagen. er kann es wirklich in kauf nehmen, für eine glace, die wir ihm aberkannt haben wegen zuwenig am tisch essen, ohne gutenachtgeschichte oder sonst was ins bett zu gehen. er ist fünf, und seine argumentationen in gewissen fällen steht einem erwachsenen in rein gar nix nach. hat er wohl von uns, haben wir ihm beigebracht, sind wir also selbst schuld. es ist trotzdem mühsam, und ich habe mich schon dabei ertappt, dass ich einfach der diskussionen müde war und - resignierte. ich ertappte mich schon dabei, dass ich einem fünfjährigen! gegenüber resignierte. das macht mich nicht stolz, sondern schon nur beim gedanken daran wieder müde.

aber: der bollo ist auch derjenige mit der grössten empathie. er hat ein verständnis für seine schwester, das ebenfalls bewundernswert ist; er checkt, dass sie kleiner ist als er und gewisse dinge nicht versteht und verzichtet auch mal auf die letzte erdbeere oder so. und wenn sie zusammen alleine draussen sind, dann kann ich mich darauf verlassen, dass er schaut, dass sie nicht in gefahr gerät. er ist, was man ihm nicht unbedingt anmerkt, sehr sensibel, wie wohl viele kinder, die so wild und unausgeglichen sind wie er.

die kleine schwester hingegen ist ein sonnenschein, immer gut drauf. sie hilft, ohne dass man sie bitten muss, aus freien stücken, sie schaut immer, dass ihr bruder nicht zu kurz kommt, und überhaupt macht sie meist, was man ihr sagt. sie hat ab und zu zornrösige anfälle, die sich dann gewaschen haben, aber weil sie sonst so ausgeglichen ist, lässt man ihr das ab und zu durchgehen. wobei meine devise einfach ist: schreien lassen. meist.

das sind so die gegensätze, die sich ergeben haben. was die erziehung betrifft, so kann man davon ausgehen, dass beide ungefähr das gleiche programm durchlaufen. der eine spricht darauf an, der andere nicht. und beide ja nicht aufs gleiche. vieles ist wohl aber auch wesensache, einiges glück, und der rest, wie erwähnt: keine ahnung. ich glaube nicht mehr an erziehung, sondern eher an zufälle, ans lustprinzip und an werte.

und: beide kinder funktionieren in der gesellschaft. der bollo ist ausgesprochen beliebt im kindergarten, war er schon in der krippe. er hält sich an die regeln, und wenn er sie auszuloten versucht, dann immer mit einem verschmitzten lächeln, so dass man ihm nie wirkilch böse ist. und, was ich auch zu erwähnen vergass: er kennt grenzen. es gibt grenzen, die überschreitet er nicht. das haben wir ihm nicht gesagt und wohl auch nicht beigebracht, denn bei uns erwachsenen sind die grenzen andere als bei ihm. und: ich vertraue ihm absolut, auch wenn er mich mit worten an die wand nagelt. er kann mir 1000 mal erzählen, dass er ohne zu schauen über die strasse rennt, ich weiss: er macht es nicht. niemals.

es gibt andere dinge, die mir wichtig sind. wenn er morgens rumtrödeln will anstelle von kindergarten gehen, dann ist mir das wurst. ich kanns ihm nicht mehr als sagen; wenn er mehrmals zu spät kommt, dann wird ihm die kindergärtnerin schon sagen, dass das nicht geht. und genau das ist eine situation, wo ich mir die energie spare und auf seine selbstverantwortung poche: er weiss, er muss in den kindsgi. er weiss auch, wann er gehen muss, damit er nicht alleine laufen muss. der rest ist in seiner hand. und tatsächlich gibt es tage, da ist er um acht aus dem haus, und solche, da kommt er erst kurz vor knapp am ziel an. soviel freiheit, find ich, muss sein. und ich glaube, er schätzt das.

konklusion: erziehung ist der versuch, etwas unter kontrolle zu behalten, das im prinzip ausserhalb unserer macht steht. punkt.
Frau Bruellen - 13. Apr, 11:49

Ich glaube

ich habe dazu schon mehr als genug gesagt. Ich habe den Eindruck, entweder reden/schreiben wir total aneinander vorbei oder aber es sind echt Welten zwischen unseren Ansätzen. Was ja auch okay wäre (wobei es mir eher um die Schaufeln und weniger um den Sand ging)

rage - 13. Apr, 11:53

wie gesagt, mir gehz nur ums beispiel. nicht um dich oder sonst jemanden.:-)) ausserdem hat mich die frage nachhaltig beschäftigt. es klingt auch alles so persönlich, aber wie gesagt: sind keine derartigen anfälle meinerseits. ausserdem darf auch mal was kontrovers diskutiert werden.
seenia - 13. Apr, 11:55

ich wurde bei der kindergartengruppeneinteilung von den müttern aus unserem quartier gemobbt, weil ich mir im sandkasten jeweils meine schaufel zurückerobert habe und nicht ganz kindertaugliche mittel angewendet habe. (geklaut wurde mir meine schaufel damals aber so heimlifeiss mässig, dann wenn die super-mamas weg schauten.) und meine rabenmutti sass nicht jeden tag mit mir beim sandkasten weil sie noch anderes zu tun hatte. das mobbing zog sich dann übrigens bei mir durch die ganze schulzeit hindurch und noch heute muss ich zur kinesiologie deswegen.

aber sonst hatte ich eigentlich eine schöne kindheit.

phreni - 13. Apr, 13:58

also wenn ich hier in unserem "problemquartier" gewisse kinder sehe, glaube ich schon, dass da überhaupt nicht erzogen wurde. überhaupt keine grenzen setzten ist oft ein schuss in den ofen. ich glaube nicht dass es reicht, dass ich keinem kind sand anschmeisse oder kein kind mit der schaufel haue. ich finde es schon sehr wichtig, immer wieder klar nein zu sagen. aber logisch ist, dass nicht jedes kind gleich reagiert. und sicher stimmt auch, dass wir mindestens so sehr durch vorbildsein erziehen wie durch konkrete massnahmen.

rage - 13. Apr, 14:36

ich habe schon lange kein problemviertel mehr besucht - gott, tönt das snobby :-)) - aber hier, wo alle ungefähr den gleichen mittelständischen ansatz haben, und vorher an der goldküste, waren die zustände wie oben beschrieben. regeln und grenzen gab es immer, die reaktionen der kinder drauf unterschiedlich. das ist wohl eine wesenssache, oder eben, wie ich es nenne: glück.
pipistrella - 13. Apr, 15:25

ich glaube, der punkt ist, ob die grenzen und regeln auch konsequent eingehalten werden? ich habe mit meinen kindern ähnliche erfahrungen gemacht, wie du mit deinen.
ich weiss aber, dass dort, wo ich absolut null tolerant konsequent war, die regeln auch eingehalten wurden und auch gehört wurden, wenn ich etwas sagte. beispiel androhung, dass wir aus dem tram aussteigen und nach hause laufen, wenn was-weiss-ich nicht gemacht wurde - ich bin tatsächlich mit den kids ausgestiegen und nach hause gelaufen und das waren nicht nur 1-2 stationen. in zukunft haben sie bei dieser androhung auf mich gehört.
aber sobald ich selber unsicher war, ob eine regel sinn macht oder nicht, konnte ich deren einhaltung gleich vergessen.

und ich behaupte, meine jüngere war vor allem daher so angepasst und nett und lieb, weil sie merkte, dass die ältere mit ihrem rebellischen wesen grundsätzlich eher probleme hatte, bzw. eben mal ein glacé nicht bekam oder früher ins bett musste oder was auch immer. das mit "beide gleich erziehen" geht eben nicht, weil es verschiedene menschen sind und man unterschiedlich auf sie eingeht.

rage - 13. Apr, 20:18

das stimmt natürlich, oder nur in grundsätzen, das mit der gleichen erziehung. vielleicht wäre hier wieder das wort werte besser: dass man nicht mit sand schmeissen soll, das kriegen sie beide mit. und der eine machts, die andere nicht. und weil die eine weniger "anstrengend" ist, lässt man ihr mehr durchgehen als ihm, der überall die grenzen auslotet.

was ich natürlich auch nicht ausstudiert habe, ist der unterschied junge-mädchen. meine erfahrung ist zwar auch, dass es in familien sehr oft ein angepasstes und ein nicht angepasstes kind gibt; wobei es sich bei zweiterem nicht zwingend um das ältere und auch nicht um den jungen handeln muss.

die gesetzmässigkeit der null-toleranz hab ich auch schon festgestellt, wobei es eben auch hier ausnahmen gibt.

manchmal, das müssen wir ja auch zugeben, geht es ja auch nur ums prinzip, dass wir am schluss als «gewinner» da stehen: heute nach dem schwimmbad waren wir im resti essen, und der bollo wollte von anfang an ein glace oder sonst was süsses. wir haben von anfang an nein gesagt, und er ist am schluss sogar in die küche betteln gegangen. (das sind so aktionen, die find ich dann wieder eher lustig. so von einem fünfjährigen.) er kriegte jedenfalls nix und widerstand der versuchung, etwas von den süssigkeiten oder aus dem glacekasten zu nehmen, obwohl es ihm ein leichtes gewesen wäre. zum glück für ihn natürlich, aber eben, es war ein krampf. und es ging irgendwann für uns nur noch ums prinzip: nein.
FrauSchussel - 13. Apr, 21:21

Spannend. Ich stimme nämlich im wesentlichen zu :)
Ich glaube auch, dass Kinder durch Vorbilder (mit steigendem Alter vor allem auch andere Vorbilder als die Eltern) und Zufälle und noch zig Sachen, die wir nicht kontrollieren, lernen. Und nicht durch das, was meist Erziehung heisst. Und je nach Charakter auf all das verschieden reagieren.
Ach, vielleicht sollte ich doch irgendwann diese lange Antwortmail zu Ende schreiben. So in 1-2 Jahren, vielleicht, könnte ich das schaffen.....

rage - 13. Apr, 21:57

der punkt ist wohl, dass ich einen anderen ansatz finden muss. ich komme mir manchmal wie eine fleisch gewordene tirade vor, die von morgens bis abends nur ermahnt und schimpft, und das mag ich nicht. natürlich gibt es dinge, die will ich nicht, und solche mit verbesserungspotential, aber eigentlich macht er seine sache recht gut.

und ich mag ihn nicht klein machen, ich will ihm sein selbstvertrauen nicht nehmen, insbesondere weil ich ja weiss, dass ich ihm vertrauen kann. ausserdem hört er nach einer gewissen zeit sowieso nicht mehr zu, sondern schottet sich komplett ab, was ja auch logisch ist. es hilft mir manchmal, wenn ich mir sage, dass er zwar wie ein erwachsener daher redet, aber sein verstand trotzdem erst fünf jahre alt ist. und der noch nicht alles begreifen muss. und wenn ich akzeptiere, dass ich an eine wand rede, dann wäre die konklusion für mich, dass ich nicht mehr so viel reden muss, und mein nerv-pegel nicht mehr so hoch steigt, weil ich darauf vertraue, dass er es schon richtig macht und ihn nicht noch extra ermahne und dann wieder der ganze rattenschwanz von grenzen ausloten etc. folgt. das wäre dann: lieber vorbild sein als schimpftiradistin. weil eben, nutzt ja nix. die einen folgen, die anderen nicht.

im prinzip muss ich das verständnis, das er für seine kleine schwester aufbringt, auch ihm gegenüber zeigen.
rage - 13. Apr, 22:08

und dass mir jetzt keiner denkt, dass er die ganze zeit nur beschimpft wird, der arme tropf! (obwohl es mir selbst manchmal so vorkommt.) es gibt durchaus dinge, wo er seine freiheiten hat. zum beispiel spielt es uns in 99 von 100 fällen keine rolle, ob er um 12.15 mit seinem besten freund angetrabt kommt und erklärt, dass dieser auch bei uns isst. dann wird ein weiterer teller aufgetischt und gut ist. (in dem einen fall, wo es nicht geht, sind die portionen zu knapp bemessen, was bei restenessen manchmal der fall ist.)

seine freunde sind bei uns immer willkommen; die abgrenzung von samstag und sonntag, die bei anderen familien statt finden, gibt es bei uns nicht, wir finden, wenn wir zu hause sind und er mit seinen freunden spielen will, dann soll er das tun. er darf auch auf den schulhausplatz zum spielen mit seinen freunden, wenn er will, das ist auch so was, das bei anderen nicht geht. eben, es ist schon so: man kann ihm letztendlich vertrauen, und wir tun das, und ich glaube, er spürt das auch.

die liste ist natürlich unvollständig; es ist nur das, was mir grad so einfiel. und es geht ja nicht darum :-))

rage.

reloaded.

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